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Markus Kurz - Radio Dreyeckland Freiburg - Jazzredaktion


German Authentics - Mannheim Area 1956/57/62
(Werner Pöhlert Music Productions - K.F.Schimper Verlag, Schwetzingen)


Leider kaum noch im Bewußtsein eines größeren Publikums sind die hier vorgestellten deutschen „Jazz-Cliquen“ der 50er und 60er Jahre, gab es doch zumindest bisher kaum „überliefertes“ Material von diesen hervorragenden Jazzmusikern der deutschen Nachkriegszeit. Dabei konnten Formationen wie bspw. das Hans Laib Sextett bzw. Combo, das Werner Pöhlert Quintett oder das Wolfgang Lauth Quartett durchaus mit ihren amerikanischen oder französischen Pendants mithalten. Wenn man sich diese Musik heute anhört begreift man, daß es damals versäumt wurde, den deutschen Jazz aus seinem „Underground-Status“ herauszuholen.

In Deutschland gab es zu dieser Zeit eben noch nicht die entsprechende Aufmerksamkeit des großen Publikums – man bedenke, daß Jazz in der Nazi-Zeit zur „Entarteten Musik“ gehörte und für die Öffentlichkeit sozusagen nicht existent war. Und die sich gerade etablierende bzw. konsolidierende Musikindustrie im Deutschland der 50er Jahre konzentrierte sich erst einmal darauf, die neuen Genres der populären Musik zu vermarkten. Diese Entwicklung, sowie die damalige rasante Diversifizierung der Jazz-Stile in Cool, Hardbop, und erste Ansätze des Free hat selbst in Amerika den Jazz langsam dem Massenpublikum entfremdet, in Deutschland führte Jazz bis auf wenige Ausnahmen ein Schattendasein.

Alle Titel dieser Zusammenstellung werden hier erstmals auf Tonträger veröffentlicht und haben sozusagen dokumentarischen Wert, gibt es doch von den Musikern kaum regulär in der damaligen Zeit veröffentlichte Plattenaufnahmen. Und entsprechend den Angaben aus dem Booklet stand insgesamt leider nicht sehr viel mehr Material zur Verfügung.

Jazz war „lebendige“ Musik, Live-Musik, die Club-Musik der 50er. An deren Dauerhaftigkeit oder gar ein Hörinteresse späterer Generationen dachte damals niemand. Es war die regionale Szene der „Mannheim Area“, ein blubberndes Jazz-Kollektiv, das seine musikalischen Konzepte in immer wieder neuen Konstellationen vorantrieb.

Die CD „German Authentics“ enthält Aufnahmen von 5 verschiedenen Formationen, wobei der Gitarrist Werner Pöhlert in allen Bands vertreten war. Weitere Ikonen der Szene waren Hans Laib am Tenorsaxophon, der sowohl mit seinem Sextett als auch mit der Combo vertreten ist, die mit derselben Frontline agierten, sich jedoch in der Rhythmusgruppe komplett unterschieden (s.u.). Außerdem mit von der Partie waren das Werner Pöhlert Quartett bzw. Quintett, das mir vor allem mit dem unheimlich schnell gespielten Gershwin-Titel „Fascinating Rhythm“ gefällt, auch von der Aufnahmetechnik her einer der besseren Tracks. Der Pianist Wolfgang Lauth, von dem jüngst auch zwei CDs mit historischen Aufnahmen auf dem Bear-Family-Label („Lauther“ und „Noch Lauther“) veröffentlicht wurden, ist mit seinem Quartett und dem Stan Getz-Titel „Dear Old Stockholm“ vertreten. Den Abschluß bildet eine Studio-Jam-Session im Rahmen der Aufnahmen des Norddeutschen Rundfunks, bei der außerdem Musiker wie bspw. Dusko Goykovich (tp), Max Brühl (ts/ss), Roland Kovac (p) oder Hans Kresse (b) jamten.

Die Qualität der Aufnahmen ist sehr unterschiedlich: die von einem 1962 im Mannheimer Rosengarten statt gefundenen Benefizkonzert stammenden Amateurmitschnitte fallen zwar etwas ab, aufgrund ihres dokumentarischen und interpretatorischen Wertes sind sie aber zurecht veröffentlicht worden. Die Mehrzahl der Stücke stammt immerhin von Radiomitschnitten des Hessischen Rundfunks (Deutsches Jazzfestival 1957 und 1962 in Frankfurt) und aus einem Studio-Konzert des Norddeutschen Rundfunks aus dem Jahr 1956 und hat dementsprechend eine gute technische Qualität.

Das sehr ausführliche Booklet, das auch einige hervorragende S/W-Aufnahmen der Musiker und Combos enthält, rundet diese historische CD-Veröffentlichung ab: Ausschnitte aus Presseveröffentlichungen, Rezensionen und anderen Dokumenten aus den 50er/60er-Jahren bieten einen faszinierenden Einblick in die damalige Jazz-Szene. Die editorischen Meriten gebühren den Werner Pöhlert Music Productions n.c., sowie dem K.F.Schimper-Verlag in Schwetzingen, der die CD herausgibt. Eine beispielhafte Produktion.


>Vorgestellte< Titel:

Hans Laib Sextett {d}

Werner Pöhlert Quintett {b}

Hans Laib Combo {c}

Werner Pöhlert Quartett & Fritz Münzer {c}

Wolfgang Lauth Quartett {a}

Jam Session {a}

Besetzungen:

Hans Laib Sextett
Hans Laib (ts), Egon Denu (tp), Werner Pöhlert (g), Peter Kosch (p), Klaus Kirstätter (b), Hartwig Bartz (dr)

Werner Pöhlert Quintett
Hans Laib (ts), Werner Pöhlert (g), Karl Berger (p), Fritz Rudi (b), Joe Hackbarth (dr)

Hans Laib Combo
Hans Laib (ts), Egon Denu (tp), Werner Pöhlert (g), Wolfgang Lauth (p), Wolfgang Wagner (b), Horst Seidelmann (dr)

Werner Pöhlert Quartett & Fritz Münzer
Werner Pöhlert (g), Klaus Nagel (ac g), Rudi Egner (b), Klaus Thoms (dr) & Fritz Münzer (as)

Wolfgang Lauth Quartett
Werner Pöhlert (g), Wolfgang Lauth (p), Hans Kresse (b), Joe Hackbarth (dr)

Jam Session
Dusko Goykovich (tp), Max Brühl (ts/ss), Werner Pöhlert (g), Wolfgang Lauth (p), Roland Kovac (p), Hans Kresse (b), Peter Trunk (b), Joe Hackbarth (dr), Ole Jörgensen (dr)

Aufnahmedaten:

{a} NDR 10. Studio-Jazz-Konzert 16.06.1956
{b} HR 5. Deutsches Jazz-Festival Frankfurt 10.06.1957
{c} Benefizkonzert Mannheim Rosengarten 26.03.1962
{d} HR 8. Deutsches Jazz-Festival Frankfurt 01.06.1962


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© markus kurz 98.10.04