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Markus Kurz - Radio Dreyeckland Freiburg - Jazzredaktion


Charles Lloyd Quartet - Voice in the Night
(ECM 559 445-2 [1674] - Universal)


Stimmen in der Nacht kann man nicht sehen, man hört sie nur. Nichts Visuelles muß die Wahrnehmung ablenken, die Musik kann für sich stehen. Das Spiel von Charles Lloyd atmet eine ätherische Leichtigkeit, ein Funke in einer lauen Sommernacht, tänzelt auf und ab, Kreise und Spiralen drehend. Eine solche Ungezwungenheit war selten: ein Strom freien, flüssigen Spiels.

Charles Lloyd schlägt mit dieser Platte eine Brücke zu seinen frühen Werken, interpretiert bspw. den alten Titel „Forest Flower“ neu und gibt ihm aus der Distanz seines gereiften Spiels neue Nuancen. Außerdem hat er diese Session mit einem komplett neu formierten Quartett eingespielt, die zuletzt auf drei Platten konstante skandinavische Besetzung diesmal ausgelassen. Statt dem Pianopart hat Charles Lloyd jetzt die Gitarre von John Abercrombie integriert, die den Pfeil bildet, um den sich sein kreisendes, tänzelndes Saxophonspiel windet. Den Wechsel komplettieren Dave Holland am Bass und Billy Higgins am Drumset, mit dem Charles Lloyd bereits ab Mitte der 50er Jahre zusammen gespielt und dem er auch sein letztes Album „Canto“ gewidmet hatte.

Durch diese „Neubesetzung“ knüpft Charles Lloyd ebenfalls an seine erfolgreiche Zeit Mitte der 60er Jahre an, als er bereits vor dem späteren kommerziellen Durchbruch mit „Forest Flower“ eines seiner ersten Alben unter eigenem Namen, „Of Course, Of Course“ aufgenommen hatte und in das damals exakt in der gleichen instrumentellen Besetzung wie „Voices in the Night“ formierte Quartett den aus Ungarn stammenden Gitarristen Gabor Szabo in seine damalige Formation mit Ron Carter am Bass und Tony Williams an den Drums integrierte.

Bereits lange vor Miles Davis hat Charles Lloyd auf dem Monterey Jazz Festival gespielt und auch damalige Rockstars wie Grateful Dead, Jefferson Airplane, Janis Joplin oder John Lennon beeinflußt. „Forest Flower“, das sich angeblich in der für Jazzplatten absolut unvorstellbaren Zahl von über 1 Million verkaufte und den kommerziellen Erfolg brachte, war auch die Keimzelle der langen Zurückgezogenheit von Charles Lloyd, der Abstand von der Hektik und Vordergründigkeit des Musikgeschäftes suchte und unterwegs zu seinen spirituellen Wurzeln sein Refugium in Big Sur fand.

Wenn man heute „Voices in the Night“ hört, spürt man diesen Geist, der eine Sensibiltät trägt, die feinsten Ausdifferenzierungen nachspürt bis zu einer imaginären Grenze des „nicht mehr Wahrnehmbaren“.


>Vorgestellte< Titel:

Musiker:

Aufnahmedatum: Mai 1998


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© markus kurz 99.06.13